Kommentar zu den Devisengeschäften von Philipp Hildebrand (Chef SNB)

In den vergangenen und wohl auch in den kommenden Tagen wurde und wird in den Medien vor allem über ein Thema berichtet: Die Devisengeschäfte von Philipp Hildebrand und seiner Ehefrau Kashya. Ich möchte im folgenden Kommentar meine Meinung zu diesem Thema äussern.

 

Ohne das Communiqué der SNB vom 23. Dezember 2011, hätte die Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht so rasch von den verdächtigen Devisengeschäften der Familie Hildebrand erfahren. Das Communiqué warf viele Fragen auf, waren die genannten Gerüchte doch für die Meisten völlig unbekannt. Schnell herrschte jedoch Klarheit, worum es wirklich ging: Um ein hässliches Gerücht, das Philipp Hildebrand den Job und seinen guten Ruf kosten könnte, sowie die Glaubwürdigkeit der SNB stark bedroht. Am 4. Januar 2012 veröffentlichte die SNB, nach kurzer Geheimhaltung, einen unabhängig durchgeführten Prüfungsbericht der Wirtschaftsprüfstelle PricewaterhouseCoopers, sowie ein internes Reglement über Eigengeschäfte. Bei der Prüfung der Konten des SNB-Chefs wurden Transaktionen entdeckt, welche als heikel eingestuft wurden.

 

Die besagten heiklen Transaktionen wurden über ein privates Konto bei der Bank Sarasin abgewickelt. Zentral geht's um den Kauf und Verkauf einer grösseren Menge Dollars. Am 15. August wickelte Kashya Hildebrand einen Kauf von 400‘000 Dollar zu einem sehr tiefen Wechselkurs (ca. 0,73 CHF/$) über das Konto ihres Mannes ab. Die Ehefrau verfügte über eine Vollmacht. Als Philipp Hildebrand erst einen Tag später von der Transaktion seiner Frau erfuhr, informierte er sofort den Leiter Recht und Dienste der SNB, dieser sah keinen Handlungsbedarf. Zusätzlich wies Herr Hildebrand seinen Kundenberater an, keine Devisengeschäfte mehr ohne seine Zustimmung abzuwickeln. Durch diese Handlungen sorgte der Präsident der SNB sofort für Transparenz. Am 6. September folgte anschliessend die Ankündigung des CHF/Euro Mindestkurses von 1.20 CHF. Die logische und absolut vorhersehbare Konsequenz dieser Entscheidung war eine Abschwächung des Schweizer Frankens und eine Erstarkung des Euros und des Dollars. Am 4. Oktober folgte schliesslich ein grösserer Verkauf von Dollars seitens der Familie Hildebrand. Der erzielte Währungsgewinn zwischen dem Kurs vom 15. August und dem Kurs vom 4. Oktober 2011 betrug rund 75‘000 CHF.

 

Nun zum Insiderwissen, welches diese Transaktionen verdächtig heikel aussehen lässt. Zum Zeitpunkt des Kaufs am 15. August waren die Planungen für den CHF/Euro Mindestkurs von 1.20 CHF bereits voll im Gange. Sollte nun Kashya Hildebrand Informationen über die geplante Intervention der SNB gehabt haben, wäre dies ein illegales Insidergeschäft gewesen. Bei nüchterner Betrachtung war der Dollar aber ohnehin massiv unterbewertet. Das weiss besonders eine Frau, die 16 Jahre lang für den Hedgefonds Moore Capital an der Wallstreet tätig war und zugleich selbstständige Unternehmerin ist. Wären aber tatsächlich Insiderinformationen kommuniziert worden, hätte doch logischerweise auch ein massiv grösserer Dollarkauf stattfinden sollen, um die Rendite des angeblichen Insiderhandels zu maximieren. Ziel eines Insiderhandels wäre ja aufgrund illegaler Informationen einen möglichst grossen finanziellen Vorteil zu erzielen. Es wurden aber keine solchen Transaktionen mit enorm hohem Geldvolumen (mit „enorm hoch“ spreche ich hier von einer Million und mehr) getätigt. Dementsprechend entstand mit dem Kursgewinn von rund 75'000 Franken auch kein möglichst grosser finanzieller Vorteil für die Familie Hildebrand.

 

Gemäss dem neuesten Bericht der Weltwoche, deren Glaubwürdigkeit hier mal dahingestellt sein mag, soll aber nicht die Frau, sondern Philipp Hildebrand selbst die Transaktionen getätigt haben. Die illegal beschafften Bankkontoinformationen stellen für das rechts angesiedelte politische Lager ein gefundenes Fressen dar. Der SNB-Chef ist schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge, die SVP sähe den SNB-Präsidenten lieber heute als morgen seinen Chefposten räumen. Besonders in Bezug auf die geplanten Verschärfungen („too big to fail“ Problematik, höhere Eigenkapitalvorschriften) gegenüber Grossbanken ist die wählerstärkste Partei uneins mit dem Kurs Hildebrands. Bei dieser politischen Aktion überrascht auch die Beteiligung Christoph Blochers nicht. Die illegalen Informationen wurden seitens der SVP gnadenlos missbraucht, um politisch massiven Druck auf den SNB-Präsidenten auszuüben, wohl mit dem Ziel dessen Rücktritt zu erzwingen.

 

Meiner Meinung nach hat Philipp Hildebrand weder selbstständig Insiderhandel betrieben, noch heikle Informationen nach aussen getragen. Sein Verhalten beweist seine Unschuld. Er hat korrekt und souverän agiert, zeigte sich äusserst kooperativ in alle Richtungen und verfügt glaubhaft über die nötige Einsicht der ethischen Problematik. Ich fände es äusserst verwunderlich, wenn der mächtigste Banker der Schweiz, der auch international ein sehr hohes Ansehen geniesst und jährlich ausserdem mit knapp einer Million Franken entschädigt wird, seinen Job, seinen guten Ruf, ja seine gesamte Karriere wegen 75‘000 Franken, erzielt über einen angeblichen Insiderhandel, aufs Spiel setzt. Das würde kein einziger zurechnungsfähiger, rational handelnder Mensch der Welt tun.

 

Auch PricewaterhouseCoopers, der SNB-Bankrat, sowie die Prüfungsebenen des Bundes sind, gemäss dem veröffentlichten Prüfungsbericht, zu diesem Schluss gekommen. Im auf der SNB Homepage (www.snb.ch) veröffentlichten Bericht wird Philipp Hildebrand vom Vorwurf des Insiderhandels frei gesprochen.

 

Im heutigen Interview nahm er erstmals persönlich zu den Geschehnissen der vergangenen Tage Stellung. Er hat einen starken, ja gar souveränen Eindruck hinterlassen. Rückblickend wurde dem SNB-Präsidenten die ethische Problematik hinter den als heikel eingestuften Transaktionen bewusst. Jegliche rechtliche Schuld wies er aber konsequent von sich. Er hat sich nicht rechtswidrig verhalten, was die internen Regelungen der Nationalbank bestätigen. Die SNB und ihr Chef scheinen ihre Lehren aus den Vorfällen gezogen zu haben und werden alles daran setzen, dass in Zukunft keine vergleichbaren Fälle vorkommen werden. Die allgemeine Einsicht, dass strengere interne Regeln seitens der SNB notwendig sind und diese rasch umgesetzt werden müssen, herrscht auch bei Philipp Hildebrand.

 

Der schlimmste Sturm scheint überstanden zu sein, da hat sicherlich auch der Auftritt von heute Nachmittag dazu beigetragen. Ziemlich sicher vom Tisch ist ein allfälliger Rücktritt des SNB-Präsidenten. Er geniesst auch nach den jüngsten Vorkommnissen das Vertrauen des Bankrates und ist international nach wie vor sehr angesehen. In der Vergangenheit bewies Philipp Hildebrand immer wieder, zuletzt durch den Euromindestkurs gegenüber dem Schweizerfranken, dass er wohl einer der besten und geeignetsten SNB-Chefs ist, den die Schweiz je hatte. Die überschwappenden Krisen aus den USA und Europa hat er bisher souverän gemeistert. Ich hoffe, dass uns ein solch tauglicher SNB-Chef noch lange erhalten bleibt, denn das Jahr 2012 stellt die Schweiz vor grosse Herausforderungen, welche von erfahrenen Krisenmanagern, wie Hildebrand, angepackt werden müssen.

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