Wasser wird nie knapp

Unter diesem Titel erschien vergangenen Sonntag ein äusserst spannender und lehrreicher Artikel zum Thema Wasserverbrauch in der NZZ am Sonntag. Die andere Seite zeigt der Dokumentarfilm „Bottled Life“ von Urs Schnell. Er kritisiert, dass Néstle überall auf der Welt Trinkwasserreserven anzapft, diese in Pet-Flaschen abfüllt, verkauft und daraus einen grossen Profit erwirtschaftet. Doch wo liegt nun das Problem?

 

In den vergangenen Jahren wurde uns immer wieder eingetrichtert, sparsam mit dem Wasser umzugehen und auf wasserverschwendende Lebensmittel wie z.B. Kaffee oder Bananen zu verzichten. Einige Menschen duschen deshalb sogar nur noch wenige Male die Woche, um dadurch noch mehr Wasser zu sparen. Christian Strunden, Agraringenieur und Verfasser des obengenannten NZZ Artikels, zeigt jedoch aufgrund wissenschaftlicher Tatsachen auf, dass Wassersparen nichts bringt. Wasser wird nie verbraucht! Entgegen der Darstellung im Dokumentarfilm stammt Wasser nicht aus den sich erschöpfenden Reservoiren, sondern vom Regen ab. Der blaue Durstlöscher verbleibt immer im Wasserkreislauf und ist somit der erneuerbare und unerschöpfliche Rohstoff par excellence.

 

Eine Tonne Wasser ist zur Erzeugung eines Kilos Weizen nötig. Dieser Satz ist wissenschaftlich absolut korrekt und führte, in falschem Zusammenhang, leider zu voreiligen und fehlerhaften Schlüssen. Bevor nun von Wasserknappheit und -verschwendung gesprochen wird, sollte der Blick doch auf das ganze Bild gerichtet werden. Auf die Weizenfelder fallen, je nach Anbauregion, zwischen 4000 und 10 000 Tonnen Wasser pro Hektare und Jahr. Damit können 4 bis 10 Tonnen Weizen erzeugt werden. Wenn nun die Gesamtheit der Ereignisse betrachtet wird, stimmt die Relation wieder. Der Anbau benötigt viel Wasser, erhält aber durch Regen auf natürliche Art und Weise die noch viel grössere Menge davon. Die Landwirtschaft macht aber ohnehin nur ein äusserst kleiner Teil der Wasserverwendung aus. Der grösste Teil gelangt ins Grundwasser oder verdunstet. Da die Niederschlagsmengen nun aber nicht überall auf der Welt gleich gross sind, werden die Nahrungsmittel in logischerweise regenreichen Regionen angebaut und anschliessend exportiert, davon zeugen die enormen weltweiten Handelsströme.

 

Im Film „Bottled Life“ werden verschiedene Regionen dargestellt, die nur Zugang zu verschmutztem Trinkwasser haben, während sauberes Trinkwasser, meist aus derselben Region, von Néstle in PET-Flaschen abgefüllt und verkauft wird. Das Problem ist hier eindeutig nicht der Wassermangel, welcher durch Verschwendung in wasserreichen Regionen entsteht. Die fehlende Filterung und zu schwache Infrastruktur sind das wahre Problem. Zur Behebung dieser Problematik bedarf es Investitionen in die Infrastruktur und eine fähige, nicht korrupte Regierung. Der Dokumentarfilm zeigt aber ein anderes, reales Problem auf: Menschen, die Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, sollten dieses auch nutzen und nicht unnötig Energie und Rohstoffe verschwenden, indem sie Wasser aus Plastikflaschen konsumieren, während sie fast überall Zugang zu gleichwertigem und massiv billigerem Leitungswasser haben. Dieses Beispiel wurde anhand der Millionenstadt New York anschaulich illustriert, viel Verbesserungspotential ist vorhanden.

 

Machen wir uns aber nicht verrückt, die Wassernachfrage wurde in der Vergangenheit massiv dramatisiert, während die Fülle des Nachschubs gerne unterschlagen wurde. Wirklich tragisch wäre es, wenn wir aufgrund unseres Wassersparwahns auf den Konsum von Kaffee, Bananen etc. verzichten. Bei diesem Verhalten berauben wir Millionen von Kleinbauern aus den Tropen, deren Haupteinkommensquelle die Erträge aus den Bananenstauden etc. stammen, ihrer Lebensgrundlage. Für den Kleinbauern wäre es ausserdem äusserst schwer nachvollziehbar, wieso wir aus Sorge um Wasser seine Bananen nicht mehr kaufen, sind doch die Niederschläge in den Tropen etwa doppelt so hoch wie in Europa.

 

Wassersparen in regenreichen Regionen bewirkt keine höhere Verfügbarkeit von Wasser in regenarmen Regionen. Der Zwang zum Wassersparen ist zwar Unsinn, wir können aber andernorts ansetzen und die Art und Weise, wie wir Wasser konsumieren (Leitung, Pet-Flasche?) überdenken. Die Lösung, den Regionen mit verschmutztem oder unzureichendem Wasser wirklich zu helfen, ist nicht das Wassersparen, sondern vielmehr eine Investition in deren Infrastruktur. Damit in Zukunft mehr und mehr Leute auf dieser Welt in den gleichen Genuss des unerschöpflichen Rohstoffs Wasser kommen, wie wir es bereits heute tun.

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